14.10.2025
5 min.
Förderung in der Schule wird oft mit dem Ausgleich von Defiziten gleichgesetzt. Doch die VSG Region Sulgen setzt mit einem Pilotprojekt ein klares Zeichen: Auch Kinder mit besonderen Begabungen verdienen gezielte Unterstützung – und zwar dort, wo sie lernen und leben.
An den Primarschulstandorten Kradolf und Schönenberg läuft seit dem neuen Schuljahr 2025/26 ein Projekt zur niederschwelligen Begabten- und Begabungsförderung (BBF). Es richtet sich an Schülerinnen und Schüler, die sich Lerninhalte rasch aneignen, häufig früher mit Aufgaben fertig sind und im regulären Unterricht nicht ausreichend gefordert werden. Diese Kinder zeigen oft Anzeichen von Langeweile, Rückzug oder sogar Verhaltensauffälligkeiten. Die Lehrpersonen bemühen sich um binnendifferenzierte Angebote, stossen dabei aber an Grenzen – insbesondere in Zweijahrgangsklassen oder bei hohem Förderbedarf anderer Kinder.
Lern-Boxen mit
zusätzlichen Lerninhalten
Das Projekt setzt
genau hier an. Es schafft ein schulnahes Förderangebot, das direkt im
Unterrichtsalltag verankert ist. Die Kinder erhalten Zugang zu sogenannten Knacknuss-Boxen
mit Materialien aus Bereichen wie Gestaltung, Logik, Sprache, Feinmotorik,
Naturwissenschaft und Technik. Die Aufgaben können selbstständig oder mit beiliegender
Anleitung während des Unterrichtes bearbeitet werden. In betreuten Stunden
werden die Boxen ausgegeben, besprochen, bei der Rückgabe reflektiert und
weiterentwickelt – stets mit dem Ziel, die individuellen Stärken der Kinder zu
fördern und ihre Neugier zu wecken. Die Boxen wurden von einer Projektgruppe
aus Kradolf und Schönenberg erarbeitet.
Auswahl durch
Klassenlehrperson
Die Auswahl der
teilnehmenden Kinder erfolgt durch die Klassenlehrpersonen, die aufgrund ihrer
täglichen Beobachtungen eine fundierte Einschätzung der individuellen
Lernbedürfnisse vornehmen. Ergänzend dazu hat die Projektgruppe ein
Kriterienraster entwickelt, das die Auswahl systematisiert und transparent
macht. So wird sichergestellt, dass jene Kinder Zugang erhalten, deren
Potenziale im regulären Unterricht nicht ausgeschöpft werden können.
Ergänzendes
Angebot der VSG
Obwohl die
Begabtenförderung im Kanton Thurgau grundsätzlich auf kantonaler Ebene
verankert ist, hat sich die VSG Region Sulgen bewusst für ein eigenes,
ergänzendes Angebot entschieden. Der Grund dafür liegt in einer strukturellen
Lücke: Die kantonalen Programme richten sich in erster Linie an besonders
leistungsstarke und selbstständige Schülerinnen und Schüler – meist aus dem
Zyklus 2 (3. bis 6. Klasse). Für jüngere Kinder oder solche mit spezifischen
Begabungen, die noch nicht über die nötige Selbstorganisation verfügen, bleiben
diese Angebote oft unerreichbar. Auch organisatorisch sind die kantonalen
Programme für viele Familien mit Aufwand verbunden, da Anmeldung, Transport und
Nachbearbeitung in der Verantwortung der Eltern liegen.
Defizite
ausgleichen, aber auch Stärken erkennen
Das Projekt wird
laufend evaluiert und weiterentwickelt, mit dem Ziel, ein tragfähiges Konzept
für alle Primarschulen der VSG Region Sulgen zu etablieren. Die Botschaft ist
klar: Förderung bedeutet nicht nur, Schwächen auszugleichen, sondern auch,
Stärken zu erkennen und zu entfalten. Dies ist im Förderkonzept der VSG klar
festgehalten. Die VSG Region Sulgen zeigt mit diesem Projekt, dass sie beide
Seiten des Lernens ernst nimmt. Und dass sie bereit ist, neue Wege zu gehen, um
allen Kindern gerecht zu werden.
Jacqueline
Gasser
Schulleiterin Schönenberg